Vortrag über von Lutz Fähser am 06.12.2024 Im Bürgerhaus Lich
Lich, 09.12.2024 L. Krämer
Der NABU-Kreisverband Gießen hatte gezielt die Bürgermeister der Gemeinden im Kreis Gießen und andere Kommunalpolitiker zu einem Vortrag über naturnahe Waldnutzung nach den „Lübecker Konzept“ eingeladen. Lutz Fähser, der das „Lübecker Konzept“ vor 30 Jahren entwickelt hat, stellte zunächst die klassische Forstwirtschaft dem Konzept der naturnahen Waldnutzung gegenüber. Vereinfacht ausgedrückt wird in der klassischen Forstwirtschaft nach Wirtschaftsplänen gearbeitet, die alle 10 Jahre erstellt werden. Darin werden Anpflanzungen, regelmäßige Pflegemaßnahmen, Auflichten und erwünschte Strukturen vorgegeben. Letztlich werden Einzelbäume gefördert, um einen festgelegten Holzertrag zu erzielen. Geerntet werden dann alle Bäume, die die Zielvorgaben erreicht haben, mit Ausnahme der ca. 5% Habitatbäume. Dazu ist etwa alle fünf Jahre eine Eingriff in der Fläche notwendig, die durch Rückegassen im Abstand von 20 Metern maschinenfreundlich eingerichtet ist. Der Holzvorrat eines solchen Forstes beträgt etwa 300 Kubikmeter pro Hektar. Nach dem „Lübecker Konzept“ versucht man das ganze Ökosystem zu stärken und eine dynamische Entwicklung der Waldgesellschaft zu mehr Naturnähe zu fördern. Die Pflege wird möglichst waldschonend durchgeführt und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Entnahme nicht heimischer Arten. Dazu genügen Rückegassen im Abstand von 80 Metern. Die Erneuerung erfolgt in der Regel durch Naturverjüngung. Deshalb ist eine deutliche Reduktion des Schalenwildes notwendig. Der Holzvorrat eines naturnah bewirtschafteten Waldes liegt bei mehr als 500 Kubikmetern pro Hektar und vergrößert sich stetig in Richtung des Ertragsniveaus eines Naturwaldes mit ca.1000 Kubikmeter pro Hektar, da nur einzelne, meist sehr hochwertige Bäume entnommen werden. Dies bedeutet auch die langfristige Bindung großer Mengen CO2. In einem naturnahen Wald stehen die Bäume relativ dicht zusammen. Sie beschatten sich gegenseitig und sorgen für ein kühles, feuchtes Klima, ohne sich gegenseitig zu „erdrücken“. Die Waldgesellschaft ist dynamisch und kann sich auf veränderte Lebensbedingungen einstellen. Auch die Biodiversität erhöht sich deutlich. Schäden durch Trockenheit, Insektenbefall oder Windwurf sind gering. Durch die minimale Pflege und die Entnahme nur weniger Bäume entstehen nur geringe Personal- und Maschinenkosten, neben dem Waldboden werden auch die Wege geschont. Die Erträge aus den geernteten Stämmen sind nachgewiesenermaßen deutlich höher als in der klassischen Forstwirtschaft. Nach den Erfahrungen des Referenten ist „Ökologisch optimales Funktionieren (…) die Voraussetzung für ökonomisch positive Ergebnisse.“
Im Anschluss an den Vortrag gab es noch reichlich Gelegenheit zur Diskussion. Insbesondere die Übertragbarkeit des „Lübecker Konzepts“ auf hiesige Verhältnisse wurde in Zweifel gezogen. Dieses wurde jedoch bereits an vielen anderen Stellen erfolgreich umgesetzt. Ein Hauptproblem scheint die Notwendigkeit einer starken Bejagung von Schalenwild zu sein, da dies den Interessen der Jäger unter Umständen widerspricht. Öffentliche Baumpflanz-Aktionen waren ein weiteres Thema, da ja auch bei Kahlflächen überwiegend auf die natürliche Verjüngung gesetzt werden sollte. Hier hob der Referent jedoch hervor, dass solche Aktionen die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen und durchaus einen pädagogischen Wert haben.